Ein großer Segen kam über den 1904 gegründeten
Bliedersdorfer Guttemplerverein, als im Jahre 1910 Heinrich Voigt in
Postmoor das Haus für die Guttemplerloge errichten ließ. Das von der
Gemeinde überlassene Grundstück hatte eine Größe von 1299 m². Am 05.11.1910
segnete der Gemeinderat die vertragliche Vereinbarung zwischen Gemeindevertretung
und Guttemplervereinigung einstimmig ab. Das sogenannte Logenhaus ist
heute im Besitz von Wolfgang Höft und seiner Familie.
Heinrich Voigt, der in Postmoor seine Kindheit verlebte und in Hamburg
ein reicher Kaufmann geworden war, hatte sich stets dafür eingesetzt,
die Geisel "Alkoholismus", die auch sehr, sehr viel Leid über
die Bliedersdorfer und Postmoorer Familien gebracht hatte, auszumerzen.
Er, Heinrich Voigt, unterstützte diesen weltweiten Orden, wo immer er
konnte, er stiftete lehrreiche Bücher und Schriften, und es war ihm
eine Herzensangelegenheit, gerade in seinem Heimatort hierfür seine
Dienste zur Verfügung zu stellen.
(HZ vom 24. Nov. 1910)
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Der Begriff "Templer ist ein Mitglied des Templerordens, ein geistlicher Ritterorden des Mittelalters." Der Guttemplerorden ist, ein den Alkoholgenußbekämpfener Bund.
Was wissen wir
Näheres über diesen Verein, der sich Loge nannte, aber nichts z. B.
mit der Freimaurerloge zu tun hatte. Der Guttemplerorden wurde 1852
in Utica, im USA- Staat New York, mit dem Ziel gegründet, den Alkoholismus
zu bekämpfen. Der Deutsche Guttempler-Orden wurde 1889 mit Sitz in Berlin
aus der Taufe gehoben. Die Weltloge -
International Order of Good Templars- wurde abgekürzt
I. O G. T.genannt. Diese abgekürzte Bezeichnung war auch über der Eingangstür
des Logenhauses zu lesen. Die Loge gliederte sich unterhalb der Weltloge
in Grund-, Distrikts- und Großlogen auf.
Die Bliedersdorfer Loge, die die Bezeichnung "Beständigkeit
Loge Nr. 715 " führte, unterstand wie die übrigen Logen im
Umkreis der Distriktsloge in Harburg sowie "Deutschlands Großloge
II des I .O. G. T in Hannover."
Die Bliedersdorfer Loge wurde am 01. Mai 1904 unter Federführung des
Lehrers Jakob Bruns aus Ruschwedel, der auch Mitglied
der Weltloge war, gegründet. In Horneburg bestand zu der Zeit die Loge
"Felsenburg"; die ersten Mitglieder wurden unter dem Datum
vom 24.02.1901 nachgewiesen. In dieser Loge waren auch der Steinsetzer Johann Jacob Bohlmann und seine Ehefrau
Catharina seit 22.01.1903 Mitglieder. Bohlmann war sehr aktiv und gehörte
seit 09.05.1909 auch der Großloge II an. Am 03.06.1910 trat er mit fünf
weiteren Bliedersdorfern von der Horneburger zur Loge "Beständigkeit" über; in der er bereits am 02. August 1910 zum Hochtempler (Vorsitzenden)
gewählt wurde. Er hatte dieses Amt bis August 1934 inne. Bohlmanns sind
nach Große Sterneberg verzogen. Sein Übertritt in die Bliedersdorfer
Loge hing sicherlich auch mit der Errichtung des Logenhauses in Postmoor
und seiner Freundschaft mit Heinrich Voigt zusammen. Im Winter 1910
wurde nämlich das Logenhaus in Postmoor in Beisein des Stifters Heinrich
Voigt und unter Beteiligung vieler Abordnungen auswärtiger Guttemplerlogen
feierlich eingeweiht.
(HZ v. 22. Nov.
1910)
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(HZ v. 01. Dez. 1910)
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(Zur Erinnerung
überreichte Heinrich Voigt jedem Guttempler diese Urkunde in
einem wertvollen Rahmen)
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Zur ersten Versammlung,
am 03. Dezember 1910, hielt H. T. Bruder Bohlmann im neuen Sitzungssaal
eine feierliche Ansprache. Jakob Bohlmann war überhaupt, wenn man
so die ganzen Niederschriften (im Besitz von Rainer Gründer) über
die Jahre Revue passieren läßt, ein vielseitiger, kluger und kulturverständiger
Mensch, sein Einsatz für seine Mitbürger verdient noch heute große
Anerkennung! Ständige Kontaktpflege mit der Horneburger Loge "Felsenburg"
und der Loge "Klosterglocke aus Neukloster / Hedendorf"
wie auch mit anderen Logen gehörten zur Selbstverständlichkeit. Erwähnenswert
ist, daß die „Klosterglocke“ am 13.07.1902 gegründet worden ist, und
zwar ebenfalls durch den 52-jährigen Lehrer Jakob
Bruns aus Ruschwedel. Wer Mitglied des Ordens werden wollte, mußte
folgender Verpflichtung zustimmen:
"In der Erkenntnis Ihrer Verantwortung vor
Gott, vor Ihren Mitmenschen und vor sich selbst versprechen Sie in
Gegenwart dieser Zeugen feierlich und rückhaltlos, daß Sie berauschende
Getränke irgendwelcher Art, wie Wein, Obstwein, Bier, Braun-, Malz-
oder Hausstandsbier, Branntwein, Liköre usw. nicht genießen, nicht
für den Genuß zubereiten oder kaufen, nicht verkaufen, nicht verabreichen
noch deren Verabreichung an andere veranlassen wollen, und daß Sie
in jeder anständigen Weise dem Genuß dieser Getränke entgegenwirken
wollen. Ebenso versprechen Sie feierlich und rückhaltlos, daß sie,
solange Sie Mitglied des Ordens sind , in allen Beziehungen willig
seinen Führern Gehorsam leisten und die Vorschriften und Gebräuche
des Ordens befolgen wollen; ferner versprechen Sie, daß Sie nie wissentlich
einem Mitgliede des Ordens Unrecht tun oder geschehen lassen wollen;
daß Sie endlich alles tun wollen, was in Ihrer Macht steht, um das
Wohl des Ordens und die Sache der Enthaltsamkeit zu fördern."
Weiter mußten
sie erklären:
"Durch meine eigenhändige Unterschrift erkenne
ich hierdurch die obenstehende Verpflichtung sowie die Gesetze und
Gebräuche des Deutschen Guttemplerordens e.V. in allen ihren Teilen
als bindend für mich an. Ich verzichte auf den ordentlichen Rechtsweg,
unterwerfe mich bei allen etwaigen Streitfällen, gleichwohl welcher
Art, den Ordensgesetzen und verpflichte mich, dieselben streng innezuhalten“.
In
einem "Unterschrifts-Protokollbuch" mußten sie ihre Verpflichtung
unterschriftlich bestätigen. Durch ein bestimmtes Ritual ; umgangssprachlich
nannte man es auch "op'n Pudel rieden", wurden sie in die
Grundloge eingeweiht und ihre Mitgliedschaft bestätigt.Rückfällige,
die ausgeschieden waren und wieder eintreten wollten, mußten sich einer
"Kugelung" unterziehen. Es wurde gekugelt (abgestimmt), und
nur wenn die Mehrheit dafür war, konnte eine neue Mitgliedschaft begründet
werden. Die Mitglieder nannten sich gegenseitig Brüder und Schwestern.
Oft waren es die Frauen, die zusammen mit ihren Männern der Loge beitraten,
um hierdurch ihren Männern zu helfen, vom Alkohol endlich loszukommen!
Die Führungskräfte in der Loge wurden als Beamte* betitelt; sie bekleideten
vierzehn verschiedene Funktionen. Die Beamten wurden in einem Beamten-,
die übrigen in einem Mitglieder-Verzeichnis nachgewiesen.
Beamtenbezeichnungen: Hochtempler, Althochtempler, Vizetempler, Schriftführer
/ Sekretär, Schatzmeister, Kaplan, Marschall, Innen-Wache, Äußere Wache,
Hülfssekretär und Hülfsmarschall.
Die Anwesenheit in den wöchentlich
stattfindenden Sitzungen wurde in den genannten Verzeichnissen vermerkt.
In jeder Sitzung wurde nach der "ritualmäßigen" Eröffnung
das Beamtenverzeichnis und das vormalige Protokoll verlesen und dann
zur "Geschäftsordnung geschritten".
Das Kassenbuch wurde von einem "Schatzmeister" geführt. Revisoren
überwachten seine Kassenführung. Die Sitzungsergebnisse wurden in einem
"Verhandlungs - Protokollbuch" niedergeschrieben. Zum Abschluß
einer Sitzung wurde stets gesungen, aber auch Gedichte kamen zum Vortrag.
Wie überhaupt standen neben der Hauptaufgabe, der Beratung und Bekämpfung
von Alkoholgefahren, kulturelle Weiterbildung und Freizeitgestaltung
auf dem ständigen Programm.
Die Geselligkeit wurde sehr gepflegt, insbesondere zwischen den einzelnen
Nachbarlogen. Z. B. feierte die Postmoorer Loge am 16. Febr. 1913 ihr
Wintervergnügen, und schon am 01. Juni 1913 fanden sie sich zu ihrem
Sommerfest in Hauschild's Tivoli zusammen. Am 24. Mai 1914 begingen
sie ganz groß ihr 10jähriges Stiftungsfest, ebenfalls im Tivoli.
(Inserat in der
HORNEBURGER ZEITUNG am 21. 5. 1914)
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Während des Krieges
fanden Zusammenkünfte nur in Abständen von einem Monat bzw. von einem
Vierteljahr statt.
Das Logenhaus wurde bewohnt und betreut ab April 1914 von der Familie
Ludwig Reindel; er war von Beruf Musiker und Zigarrenmacher. In der Loge
übte er von Juli 1919 bis August 1927 das Amt des Schriftführers aus.
Ab 1925 bis Oktober 1939 (2. Weltkrieg) wurden wieder verstärkt Aktivitäten
nachgewiesen. Der letzte Hochtempler der Loge nach dem 2. Weltkrieg war
Heinrich Brunkhorst aus Horneburg. Im Herbst 1939 ziehen Hinrich und Catharina
Riebesell mit ihrer Tochter Anni dort ein und betreuen es, bis sie 1946
von dort wegziehen. Die Loge hat später ihre Wirkung verloren
und sich allmählich aufgelöst. Das Haus diente nach dem 2. Weltkrieg als
Notunterkunft für Heimatvertriebene.
Am 30.10.1952 veranlaßte Bürgermeister Gründer, die Übertragung des Logenhauses
auf die Gemeinde. Rechtsanwalt Hensel aus Stade wurde mit den Verhandlungen
beauftragt. Später veräußerte die Gemeinde ein Teil des Grundstückes an
Fritz Riebner, der sich dort mit seiner Familie ein Wohnhaus errichtete.
Das Logenhaus selbst mit Restgrundstück wurde von der Gemeinde 1979 verkauft.
Der jetzige Besitzer ist, wie eingangs gesagt, Wolfgang Höft aus Postmoor.
Noch heute gibt es noch Guttempler, z. B. in Winsen/Luhe, wie ich im Januar
1994 in der "Neuen Buxtehuder" lesen konnte. |