Barfüßig
und arm und im Winter in Lumpen
Am 27. Mai 1862
wurde Conrad Heinrich Daniel Voigt als ältester Sohn seiner
Eltern, Schuster Ludwig Christopher Gerhard Voigt und seiner Ehefrau
Johanne Charlotte geb. Helmcke, in Oerel geboren. Seine Eltern zogen
mit ihren beiden Söhnen Heinrich und August Friedrich Ernst, der am
27.05.1863 in Oerel geboren ist, nach Postmoor in das Haus der heutigen
Familie Friedhelm Höft.
Das muß vor Juni
1866 gewesen sein, denn am 25.06.1866 wurde der Familie Voigt in Postmoor
eine Tochter, Louise Maria Caroline Auguste geboren. Zwei weitere
Geschwister erblickten ebenfalls in Postmoor das Licht der Welt. Am
20.11.1872 kam Marie Friederike Christiane auf die Welt, und am 28.08.1876
wurde Johann Diedrich geboren.
Vater Voigt lebte
als Häusling mit seiner Familie bis 1878 in Postmoor. Sie lebten in
ärmlichen Verhältnissen. Voigt schreibt in seinem Gedicht „Die Turmglocke“:
„Hier ging ich im Sommer barfüßig und arm, Im
Winter in Lumpen, wahrhaft zum Erbarm’n,“. Später wohnten sie
auf dem Schragenberg. Heinrich kam schon mit 9 Jahren als Hütejunge
zum Bauern nach Hedendorf. Er hatte als Elfjähriger zu gelten, um
diese Stellung zu bekommen. Obwohl er sich sehr freute, "künftig
immer satt zu sein", beschreibt er in seinem Gedicht "Mein
erstes Dienstjahr" die Qualen und Ängste, die er zu erdulden
hatte. Wir finden dieses Gedicht im Wortlaut in der Bliedersdorfer
Chronik. 1876 wurde Heinrich Voigt in der Kirche zu Bliedersdorf konfirmiert.
Sein ganzes Leben
war er mit seiner Heimat in Treue verbunden, wie zahlreiche Gedichte
und gute Taten von ihm beweisen.
Einzelne seiner
Gedichte, die z. B. unser Postmoor betreffen, habe ich bestimmten
Artikeln in dieser Broschüre beigefügt. Sie entstammen aus seinem
Gedichtsband "Heimat, Liebe & Arbeit“. Und hier sein Gedicht
:
An die Freunde in der Heimat
Wo ich als Kind groß geworden,
Stets bleibt teuer dieser Ort.
Mag das Schicksal auch gestalten,
Heimat bleibt mein lieber Hort.
Wo ich hier in jungen Jahren,
Froh gespielt in Eltern Hut,
Das kann ich doch nie vergessen,
Bleibt fürs ganze Leben gut.
Dies könnt alle ihr begreifen,
Nun, so wißt ihr, wie es kam,
Daß ich kann hier nicht wegbleiben,
Wo als Kind ich war so fromm!
Wenn die treuen Heimatbrüder
Feste feiern, ist das schön,
Seh’ ich manches Liebe wieder,
Manche, die mich gerne sehn.
Reiches Leben! Doch die Zeit
Währt bald sechzig Jahre lang;
Und wer weiß, ob mir noch bleibt
Meiner Stimme heller Klang. -
Darum rede ich zu euch,
Meine treuen Zeitgenossen,
Mag uns Treue einen doch,
Bis hin unsere Zeit geflossen. -
Lernen wir durch unser Tun
Unsere Kinder gründlich an.
Ach, wie freue ich mich schon,
Wie es gut noch werden kann!
Einer muß den andern achten,
Wenn es sein kann, lieben sehr!
Gutes Tun zu schaffen trachten,
Kein Evangelium lehrt uns mehr!
Jeder Stand hat seine Pflichten,
Doch die größte ist und bleibt:
Leidende froh aufzurichten,
Lieb und gut sein jederzeit!
Duldsamkeit und Demut üben,'
Steht sehr wohl den Reichen an.
Fleiß und Arbeit hoch zu Ehren,
Das geziemt jedermann!
Schwielen in den Händen haben,
Sind die besten Ehrenzeichen!
Freude schaffen, Arme laben
ist das Höchste, ohnegleichen!
Üben so wir unsere Pflichten,
Bist du, Heimat, hochgeehrt.
Es gibt keine bessern Menschen
Auf der ganzen weiten
Erd’!
Aufstieg zum
erfolgreichen und wohlhabenden Kaufmann
Vieles, was Heinrich
Voigt beschrieben hat, können wir noch heute in der Natur nacherleben.
Mit 14 Jahren kam er in die Kaufmannslehre
nach Hamburg. Von nun an sollte sich sein Leben entscheidend ändern.
Er wurde durch Tüchtigkeit und viel Glück ein erfolgreicher und wohlhabender
Kaufmann. Er war Inhaber von mehreren Fettwarengeschäften und Delikatessenläden.
Seine Herkunft hat er nie verleugnet; er fühlte sich stets mit seinen
Freunden in der Heimat in Treue verbunden. Tief im Herzen trug er
die Bilder von seinem geliebten Zuhause aber auch das seiner schweren
Jugendzeit.
Mit 21 Jahren, am 21.02.1888, verehelichte
er sich mit Jeanette Fredrike geb. Schröder. Drei Söhne sind mir bekannt
und zwar: Johannes *01.12.1889 - aus Liebe zu seiner Heimat läßt er
diesen Sohn 1890 in Bliedersdorf taufen - Franz Otto *23.09.1894 und
Conrad Wilhelm August *15.10.1898. Die Familie Voigt muß auch eine
Tochter "Grete" gehabt haben, die in jungen Jahren verstorben
sein muß; ihr Vater beklagt in seinem Gedicht "Gretchen "
den Verlust dieser Tochter. In Neugraben, am Opferberg, nannte Voigt
eine Wochenendhütte sein eigen. Ich habe ihn dort 1942 einmal besuchen
dürfen, ich erinnere mich, daß in einem Raum sehr viele Zeitungsausschnitte
an der Wand hingen. In dem Gedicht „Opferberg“ beschreibt er die reizvolle
Gegend, u. a. heißt es dort in der zweiten Strophe:
„Lange
Zeit besitze ich dieses Land,/Viel Fleiß habe ich hier angewandt,/Tausende
Bäume pflanzte ich schon,/Sie wachsen, gedeihen, schön ist der Lohn.“
Seinen letzten Wohnsitz hatte Voigt in
Neugraben Nr. 153.
Der verstorbene Ehemann der Dichterin,
Grete Siegmund aus Moisburg lernte bei Dietrich Voigt, dem jüngsten
Bruder von Heinrich, den Kaufmannsberuf in einem Delikatessenladen
und leitete später bis zu seinem Ruhestand als Betriebsleiter dieses
Geschäft.
Der große Gönner
und Wohltäter Heinrich Voigt
Die Guttemplerloge in Postmoor
Wegen der Geisel "Alkoholismus",
die so unendlich viel Leid auch über die Familien in Bliedersdorf
und Postmoor gebracht hatte, unterstützte er im großen Maße den Gedanken
der Guttemplerlogen.
Bereits 1910 ließ er für 4.500 M in seinem
Heimatort Postmoor das Guttemplerhaus errichten; am 27.11.1910 wurde
das Haus feierlich eingeweiht. Er unterstützte die Mitglieder der
Loge, wo er nur konnte. Seine mitgebrachten Bücher fanden immer große
Anerkennung. Eines seiner kleinen Schriften, "Der Achtstundentag,
eine gesundheitliche Forderung" aus dem Vorwärts-Verlag Berlin,
habe ich noch in meinem Besitz.
"Schaff' gute Bücher in dein Haus!" war sein Anliegen,
und so beschrieb er es auch in einem seiner Gedichte. Oft hielt er
Vorlesungen in diesem Haus vor den Guttemplern und machte ihnen immer
wieder Mut durchzuhalten! Zu Weihnachten war er ein gern gesehener
Gast im Logenhau. Besonders für die Kinder hatte er immer ein warmes
Herz, sie bekamen immer wieder neue Bücher und dazu Süßigkeiten, darüber
hinaus wurden die Mädchen mit einer Puppe und die Jungen mit einem
Taschenmesser bedacht.
Über das Wirken der Guttempler wird noch
zusätzlich an besonderer Stelle berichtet.
Klingende Glocken in der Heimat
Alte
Kirche auf dem Berge,
Du bist mir so liebenswert!
Oft ließ ich die Glocken schlagen,
Wie der Küster es begehrt.
Höre
ich die Glocken klingen
Wie in meiner Jugendzeit,
Geht der Klang mir so zu Herzen.
Ist es Freude? Ist es Leid?
Auch für seine kleine „Alte Kirche auf dem Berge“ hat er immer
viel übrig gehabt. Daher stiftete er 1914 für Register Aerline, der
ersten Orgel in der Bliedersdorfer Kirche, 275 Mark. (Gesamtkosten,
2425 Mark). Für die Anschaffung des Leichenwagens hat er ebenfalls
seinen Obolus beigesteuert. Im Januar 1920 hat er für die Errichtung
eines Kriegerdenkmals in Horneburg 200 Mark gespendet.
Seine Schule, die er so hoch verehrt!
In Erinnerung an seine eigene schwere
Jugendzeit setzt er sich später für die Jugendfürsorge in vorbildlicher
Weise ein! Gern gedachte er seiner eigenen Schulzeit und „Auch mein’m Lehrer, Küster Peper, Den ich stets so hoch verehrt,“
usw. Die Schulen in Bliedersdorf und in den Nachbargemeinden versorgte
er mit lehrreichem Buchmaterial, nachzulesen z. B. in der Bliedersdorfer
Schulchronik, wo er 79 Bücher zu Weihnachten 1920 für die Erstausstattung
einer Bücherei stiftete.
Auszug aus der Schulchronik: „Ein Herr aus Hamburg - H. D. Voigt, ein geborener
Bliedersdorfer, schenkte auf Anregung des Lehrers Müller der Bliedersdorfer
Schule 79 Bücher der Wiesbadener Volksbibliothek und der deutschen
Dichtergedächtnisstiftung. Die Schenkung geschah in den Weihnachtsferien.
Es ist somit der Grundstock zu einer Schülerbibliothek gelegt.“ Auch
eine elektrische Schuluhr ließ er in der Bliedersdorfer Schule installieren.
26. und 27.11.1927 Einweihung
der Turnhalle beim Tivoli
Zur Turnhalleneinweihung des M. T. V.
Horneburg berichtete die Horneburger Zeitung u. a.:
„Weite
Kreise haben das Werk fördern helfen, doch ist es an dieser Stelle
wohl selbstverständliche Pflicht, besonders zweier Männer zu gedenken,
deren Verdienst es wohl zur Hauptsache ist, daß der stolze Bau gelungen
ist. Da ist einmal Herr Heinrich Voigt aus Hamburg, allen Horneburgern
als warmherziger, edler Freund unserer Jugend bekannt, der aus reinstem
Idealismus heraus dem M. T. V. 7000 Mark geschenkt und dadurch die
finanziellen Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt hat. Wir werden Herrn
Voigt diese schöne Tat nie vergessen. Sein Bild in der Halle wird
uns stets an ihn erinnern.
Da
ist zweitens der erste Vorsitzende des M. T. V., Herr Brinckmann...“
usw.
Die Badeanstalt Horneburg und Umgebung
Schon vor dem ersten Weltkrieg ist in
Horneburg die Rede davon, eine Badeanstalt zu errichten. Am 01.06.1928
stellte der Gastwirt zur Herberge, Hinrich Stubbe, offiziell einen
Antrag an den Flecken. Der Ruf nach einer Badeanstalt wurde immer
lauter. Standorte wurden untersucht, bis der richtige in den Kalkwiesen,
direkt an der Aue gelegen, bestimmt worden ist. Die Initiative ging
wieder vom M. T. V. aus, und wie schon so oft, sitzt Heinrich Voigt
wieder mit im Boot. Die gesamte Anlage soll 18.000 M kosten. Die Herrichtung
sollte möglichst viele Erwerbslose in Brot und Arbeit bringen. Weil
die Notstandsarbeiten aber mehr als die Hälfte der Aufwendung ausmachen
sollten, wurden die Anträge auf Unterstützung nicht genehmigt. Und
wieder sprang Heinrich Voigt in die Bresche und machte diesmal ganze
15.000 M locker. Am 25.01.1930 gab der Rat des Fleckens Horneburg
grünes Licht, und schon im gleichen Jahr konnten M. T. V. - Mitglieder
und Schüler dort schwimmen und spielen. Eine große und schöne Tat
von Heinrich Voigt, der uns allen diese „Badeanstalt Horneburg und
Umgebung“ schenkte. 1955 mußte der Badebetrieb wegen mangelnder Güte
des Wassers eingestellt werden.

(Die alte Badesanstalt an der Bahnbrücke/Aue)
Spiel- und Sportplätze und Bäume
Dem Schöpfer des Sportplatzes C. Heinrich
Voigt zum Gedenken, so steht es auf der Gedenktafel von 1952 vor dem
Gemeindehaus in Bliedersdorf. Neben dem Poggenpoolplatz vor Horneburg,
den er finanziell unterstützt hatte, wurde er auch in Bliedersdorf
wieder zum großen Wohltäter, er sorgte dafür, daß die gemeindeeigene
Sandgrube planiert und zum Spiel- und Sportplatz hergerichtet worden
ist.
Er übernahm alle sächlichen Kosten hierfür.
Und immer dachte er an die Zukunft, wenn er seine Anlagen mit sehr
viel Bäumen umpflanzen ließ. Darüber hinaus stiftete er tausende von
Bäumen, die an vielen Strassen und Wegen heute noch grünen.
Jugendräume im „Schapp“ Heinrich
Voigt-Stiftung
1935 wurde an der Stelle des alten „Schapp“
ein Neubau errichtet. Im vorderen Teil, zur Bahn hin, wurden zwei
Jugendräume ausgebaut und für die Jugend bereitgestellt, zuerst mit
der Bezeichnung BDM-Heim, eine Bezeichnung, die soviel wie „Bund Deutscher
Mädchen“ hieß. Dieses Jugendheim stiftete Heinrich Voigt. Die Einweihung
fand am 15.12.1935 statt. Dieser Tag wurde zum Anlaß genommen, Heinrich
Voigt die Ehrenbürgerrechte der Gemeinde Bliedersdorf zu verleihen.