Die letzten Kriegswochen Der zweite Weltkrieg stand vor seinem
Ende. Die letzten Kriegstage sollten auch in unserer Region ihre
Spuren hinterlassen. Die Einwohner haben in den letzten Kriegswochen
des Jahres 1945 angstvolle Stunden über sich ergehen lassen müssen. Englische Jagdbomber beherrschten die
Lufthoheit. In ununterbrochenen Sturzflügen stießen sie herab und
beschossen die Nachschubtransporte auf Bahngleisen und Straßen.
Gott sei Dank blieb die Bevölkerung in den Dörfern hiervon unbehelligt. Deutscher Nachtjäger stürzte ins
Auetal Im Jahre 1944 ist ein Deutscher Nachtjäger
Ju (88), der zum Nachtgeschwader 3 gehörte und zuletzt in Grove
(Dänemark) stationiert war, tagsüber in eine Auewiese gestürzt.
Die Flugzeugbesatzung konnte sich mit dem Fallschirm retten. Einer
der Crew landete im Dorn bei Grundoldendorf; er meldete sich mit
dem Fallschirm unterm Arm in der Bliedersdorfer Schule bei Herrn
Lehrer Frommke, der sich um ihn bemühte. Ein zweiter kam in Harsefeld
und der dritte in Issendorf zu Boden. Viele Meter tief hatte der morastige Boden
das Flugzeug in sich hineingezogen. Auf der Oberfläche der Wiese
lagen weit verstreut leichtere Teile der Maschine. Schwere Bergung im moorigen Auetal
Jahre nach dem Krieg hat man versucht,
Teile dieses Flugzeuges zu bergen; noch im November 1989 hat der
Archäologe und Grabungstechniker Dietrich Ahlsdorf für das Technikmuseum
in Stade einen weiteren Bergungsversuch unternommen und hat mit
schwerem Gerät Teile des Flugzeuges sichergestellt. Neben Flugzeugteile
konnte seine Bergungsmannschaft aus dem Rumpf des Flugzeuges eine
Seenotausrüstung (Schlauchboot), die Kartentasche des Piloten mit
Kartenmaterial von Holstein und Dänemark und Aufzeichnungen über
Flugrouten und eine alte Hose, die einem Flieger als zusätzliches
Kissen gedient haben mag, wieder ans Tageslicht schaffen. Die Motoren
des Nachtjägers konnten leider nicht geborgen werden. Da das Flugzeug
mit einem Motorblock im Graben und mit dem anderen auf dem nebenliegenden
Wiesenstück eingeschlagen ist, sind diese Blöcke so stark in die
Tiefe eingedrungen, daß sie sehr schwer zu bergen sein werden. Im Stader Technikmuseum und im Museum
für Hamburgische Geschichte in Hamburg werden die geborgenen Flugzeugteile
und Ausrüstungsgegenstände des abgestürzten Nachtjägers gezeigt. Aus Neugier in den Tod Für drei zehnjährige Jungs, Nachbarskinder
aus Bliedersdorf, wurden diese Funde zu einem bitteren Verhängnis.
Aus Neugier hatten sie die scharfe Munition bei Lindemann auf einen
Stein gelegt und mit dem Hammer zur Explosion gebracht. Hierbei
wurde Klaus Buerfeind am 22. April 1944 tödlich verletzt. Sein Spielgefährte
Walter Martens verlor seinen rechten Zeigefinger, und Heinrich Lindemann
wurde leicht verletzt. Der große Stein, der als Unterlage gedient
hatte, zerbrach durch die Detonation in zwei Teile. Das gefundene
Maschinengewehr, das nicht mehr gebrauchsfähig war, hatten sie bereits
vorher beim Bürgermeister August Weseloh abgegeben. Nottensdorf in der Hand der Engländer Am 22./23.4.1945 ist in Postmoor Artilleriefeuer
deutlich hörbar, und es dauerte unvermindert an, so Zeugenberichte
von damals. Am 26.04.1945 wurde Nottensdorf von englischen
Truppen zusammengeschossen. Die Engländer führten eine Strafaktion
durch, weil angeblich einer ihrer Offiziere von Deutschen erschossen
worden sein sollte. Man wollte den Namen des Täters hören. Da sich
keine Reaktion zeigte und weil auch wohl niemand etwas wußte, wurde
Vergeltung geübt. Die Männer wurden aus dem Dorf deportiert. 28
Gebäude wurden niedergebrannt oder zertrümmert. Widerstandsnest zwischen Postmoor
und Schragenberg Ein bewaffnetes Widerstandsnest hatte
sich in der Sandkuhle zwischen Postmoor und Schragenberg eingenistet.
Straßensperren waren errichtet worden. Volkssturmleute und blutjunge
15- bis 16jährige Hitlerjungen kamen noch zum Einsatz. Ihre Ausrüstung
vor Ort bestand aus einem Minenwerfer, einem Flak-Geschütz und in
der Mühle einem Maschinengewehr. Das Flak-Geschütz bekam gleich
zu Anfang einen Volltreffer, wie E. Bellmann mir berichtete. Noch
lange nach dem Krieg stand das lädierte Geschütz auf dem Sandberg. Panzerfäuste, Handgranaten und viele Kisten
Munition wurden vor den heranrückenden Englischen Truppen in der
Sandgrube verbuddelt oder lagerten in dem vor der Sandböschung liegenden
„Munibunker“, sehr zum Verhängnis für dort später spielende Kinder.
So waren dort Uwe Borstelmann, Otto Tank und Kurt Lohrke aus Neugier
auf diese gefährlichen Teufelsdinge gestoßen. Um ihre Wirkung auszuprobieren,
entfernten sie das Pulver von der scharfen Munition, sammelten es
in einer Zinkschale und zündeten es an. Durch die Detonation schoß eine gewaltige
Stichflamme empor und versengte zum Glück im Unglück nur den Jungs
die Augenbrauen und die Haare, dem achtjährigen Borstelmann hatte
es meisten erwischt. Aber, Gott sei gedankt, sie waren mit dem Schrecken
davonkommen. Der Eingang des Munibunkers wurde beim Rückzug zugesprengt.
Später wurde der Bunker mit Schutt, Müll und Asphaltaufbruch von
der B73 zugefahren; noch heute liegt er darunter begraben! Postmoor unter Beschuß Vom 22.04. ab 17.00 Uhr bis 29.04.1945
standen Horneburg, Postmoor und Schragenberg unter Beschuß. Die
Bewohner suchten Schutz vor einschlagenden Granaten in ihren selbsterbauten
Bunkern oder in abgestützten Kellern. Schlaflos und voller Ängste
waren die Nächte! Durch die einschlagenden Granaten ging
das Wohnhaus von Wilhelm Grewe in Flammen auf. Es brannte total
nieder. Willy Grewes Frau, Margarethe, hielt sich mit dem 8-jährigen
Hans und dem 10-jährigen Klaus und anderen Nachbarn während des
Beschusses im Bunker auf. Diesen Bunker hatte man auf deranderen
Seite des Weges in der Sandkuhle angelegt. Willy Grewe selbst war
noch im Krieg. Friedrich Bartels, der Streife gehen mußte, alarmierte
die Bunkerinsassen. Weder Feuerwehr noch andere Helfer waren zur
Stelle. Nur wenige Möbel wurden von den Nachbarn geborgen. Die
in dem nebenstehenden Stallanbau, -1902 errichtet-, befindlichen
drei Ziegen konnten nicht mehr gerettet werden, obwohl die Helfer
mit der Handspritze versucht hatten, wenigstens den Stall zu löschen.
Allerdings, wie Hans Grewe mir erzählte, sind seine Kaninchen wie
ein Wunderam Leben geblieben. Auch kann er sich erinnern, daß der
vordere Giebel schon nach kurzer Zeit mit großem Getöse niedergefallen
ist. Auch hat er Zweifel, ob der Engländer das Haus in Brand geschossen
hat, es könnte auch von der deutschen Flak, die in diese Richtung
auf den Feind feuerte, geschehen sein. Von heute auf morgen obdachlos geworden,
fanden sie dankenswerter Weise Unterkunft bei der Familie Brüggmann,
bis sie später eine Baracke von der Scheinwerferstellung aufgestellt
bekamen. Vater Feindt versuchte die Kohlen- und
Kornscheune, die durch Beschuß Feuer gefangen hatte, zu löschen.
Durch die Detonation einer Granate, die in die Scheune einschlug,
und den hierdurch verursachten Knall verlor er sein Gehör. Er ist
von seiner Schwerhörigkeit nie wieder befreit worden. Edgar Bellmann erinnert sich, daß er mit
langen Leitern bei Brüggmann auf dem strohgedeckten Haus des s.
g. „Fickschen Stall“ Brandstellen, die von Einschüssen herrührten,
gelöscht hätte. Von Brüggmanns beiden Pferden, die auf
der anderen Seite der Straße auf der Weide liefen, ist das große
schwarze Pferd durch einen Granatsplitter so sehr verletzt worden,
daß es notgeschlachtet werden mußte. Hans Grewe, der damals mit
seiner Mutter schon bei Brüggmanns wohnte, und Edgar Bellmann erinnern
sich, daß die ganze Nachbarschaft sich mit Pferdefleisch eingedeckt
hätte. Postmoor als Vorort von Horneburg bekam
den ganzen Druck der heranrückenden Engländerzu spüren! Militäreinrichtungen brachten den
Tod Die Scheinwerferstellung war zu diesem
Zeitpunkt nicht mehr besetzt. Die Gemeinde ließ die leerstehenden
Baracken mit Heimatvertriebenen belegen. Neben den Familien Born/Harder, Netzel
und Geske hatten auch Frau Hameister mit ihren beiden Söhnen und
der Schwiegermutter hier eine Bleibe zugewiesen bekommen. Englische
Panzer richteten auch das Feuer auf diese Baracken und zerstörten
zunächst eine leerstehende. Hameisters und die anderen hatten sich
das noch mit angesehen. Sie standen dabei frei im Gelände und glaubten,
die wollen sich bloß einschießen und ihnen könne ja nichts geschehen,
sie wären ja nur wehrlose Frauen und Kinder und zwei Großväter.
Diese Einstellung sollte sich aber bitter rächen! Am 28.04.1945 wurden auch ihre Wohnbaracken
gezielt beschossen. Frau Hameister nahm ihre beiden Kinder und suchte
zusammen mit anderen Schutz in einem Erdbunker, der mit Sandsäcken
abgedeckt war. Zusätzlich verbarrikadierten sie sich vor der Tür
noch mit einem Scheinwerferschutzdeckel. Durch einen Volltreffer,
der in unmittelbarer Nähe der Schutzsuchenden explodierte, wurde
Frau Hameister durch Granatsplitter am Hals getroffen. Sie war sofort
tot. Ein älterer Herr in ihrer Nähe, der ebenfalls durch Granatsplitter
am Hals getroffen worden war, verstarb im Stader Krankenhaus. Gerhard Hameister, der ältere Sohn, hatte
seinen fast neunjährigen Bruder Martin dadurch schützen können,
daß er gerade vor ihm stand, wurde aber selbst durch herumfliegende
Splitter verletzt. Er mußte mit seinen Verletzungen ebenfalls ins
Stader Krankenhaus. Opa Born war fest entschlossen, mit einem weissen
Hemd Flagge zu zeigen und den Panzern zu signalisieren, daß sie
wehrlos wären. Vater Wilhelm Hameister kehrte erst Ende 1945 aus
der Gefangenschaft zu seiner Familie zurück. Da es sich bei den Baracken, um Militäreinrichtungen
handelte, empfahl Johs. Brüggmann den Bewohnern der Baracken sich
in der Dunkelheit nach Bliedersdorf abzusetzen. Dies geschah auch,
wie Gertrud Adomeit geb. Harder sich erinnern kann. Bei Nacht und
Nebel sind sie unter Zurücklassung ihrer bißchen Habe unterhalb
der Straßenböschung nach Bliedersdorf gerobbt und haben dort Zuflucht
gefunden. Später, als sie ihr bißchen Eigentum nachholen wollten,
war dieses zum Teil schon geraubt worden! Horneburg zurückerobert Friedensbemühungen Friedrich Bartels, bei dem die Panzer
bereits im jungen Kornfeld standen und tiefe Spuren hinterlassen
hatten, sorgte sich um sein Hab und Gut, wie andere auch. Als erster
bemühte er sich, auf Horneburg einzuwirken, den Widerstand aufzugeben.
Schon zeitig schickte er Edgar Bellmann zu Theo Wichern nach Horneburg,
um dieses zu erreichen. Leider vergeblich! Brücken in die Luft gejagt In den Vormittagsstunden des 25.04.1945
wurde die Eisenbahnbrücke in Postmoor /Horneburg gesprengt, wobei
der Fußgängerübersteg gleich mit in den Abgrund gerissen wurde.
Auch unsere gute alte Badeanstalt wurde übel zugerichtet. Anschließend
wurde die schöne neue Auebrücke an der B 73 ebenfalls dem Wahnsinn
geopfert. Edgar Bellmann, der zu seiner Oma zum Krähenholz wollte,
hatte die Autobahnbrücke gerade passiert; er befand sich wohl auf
der Höhe von Heinßen, als sie mit ungeheurem Getöse und einer gewaltigen
Staubwolke in die Luft flog. Noch am 29.04.45 gegen 3.00 Uhr kam
auch die Brücke auf dem Vordamm an die Reihe. Weil die Vordammer
die Zündschnüre durchschnitten hatten, ließ ein junger Leutnant
die Brücke mit Wasserbomben in die Luft jagen. Die Ereignisse überschlugen sich; die
Heeresleitung der Wehrmacht ließ Horneburg noch räumen!
Militärgut wird verhökert Noch vor der Kapitulation, am 21.04.45,
gab der Hauptmann der Gerätekolonne das Holz auf dem Sportplatz
von Horneburg zur privaten Verwendung für die Bürger frei. Mehr
als zehntausend Holzmasten lagerten hier. Die Bürger von Horneburg
und Umgebung stürzten sich auf die großen Stapel, bei Tag und Nacht
versuchte ein jeder, große Beute zu machen. Auch die Postmoorer
waren aktiv! Die Gemeindeverwaltung hatte Last, es einigermaßen
in geregelte Bahnen zu lenken. Auch Leitungsdraht wurde in großen
Mengen abtransportiert.
Auf einem Kornfeld in Postmoor Englische Offiziere hatten Johs. Brüggmann
und Friedrich Bartels nach Horneburg mit der Maßgabe beordert, Horneburg
zur Übergabe aufzufordern. Heinrich Brinckmann (Leder-Brinckmann)
hat die Besetzung durch die Engländer gleich 1945 in einer Broschüre
sehr anschaulich niedergeschrieben. Es lohnt sich, einmal hineinzusehen.
Dort heißt es u. a. „...vorbei
an dem Hause Bartels trifft die Delegation auf englische Panzer.
Die Soldaten lehnen aus den Turmluken und betrachten die Herankommenden
gelassen.“ In einem Schuppen, wo der Kommandeur seinen Standort
hatte, wurde die Übergabe besiegelt. An dem Übergabegespräch nahmen
von Horneburg teil:Bürgermeister zum Felde, Theo Wichern, Dr. Moje,
Heinrich Brinckmann und Pulitzer vom Valvo-Werk; von Postmoor waren
Friedrich Bartels und Johannes Brüggmann anwesend. Am 30.04.1945,
10.00 Uhr, wurde Horneburg englischen Truppen übergeben. Eine Stunde
später rollten englische Panzer friedlich in Horneburg ein. Alle
wahnwitzigen Brückensprengungen waren für die Katz gewesen, kampflos
überquerten die Engländer die Aue. Am 08. Mai 1945, 2.00 Uhr, ist
der Krieg durch Kapitulation endgültig vorbei. |
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