Geschichte von Postmoor

Die Schöpfung ist ein Buch;
wer's weislich lesen kann,
dem wird darin gar fein
der Schöpfer kund getan

Angelius Silesius

Auf den Spuren unserer Ahnen

Die Elemente Wasser, Luft und Feuer haben seit Jahrtausenden die Entwicklung bestimmt und Landschaften geformt. Der Mensch wirkt erst seit kurzem, doch seine Spuren sind unübersehbar!

Der Urstrom Aue

Der bis zur Höhe von Wilke Tidewasser beeinflußte Urstrom, die Aue, mit weitgefächerten Nebenarmen, ausgebreitet zwischen den Hängen der Geest, mündete vor unseren Toren in die Urelbe. Die Urelbe reichte mit ihrem Strand noch bis zum Geestrücken entlang der heutigen Bahnlinie. Zu der Zeit mündete die Elbe auch noch weit draußen hinter dem Felsen von Helgoland vor der Doggerbank in die Nordsee.

Im Jahre 1977 fanden Mitglieder des Buxtehuder geologischen Vereins im Auetal im Bereich Postmoor zwei große Stücke "Wurmwohnröhrchen" aus dem Erdaltertum. Sie wurden vor ca. 500 Millionen Jahren als Pfeifenquarzit auf der Insel Öland (Schweden) nachgewiesen und durch das Eisgeschiebe bis hier befördert.

Als die großen Schmelzwasserströme um 12000 v.Ch r. versiegten, hinterließen sie das weite Urtal der Elbe wie auch das der Aue. Noch einmal im Laufe der Geschichte, am 22. März 1625, wurde das ganze niederelbische Urstromtal durch eine Sturmflut, wie der Chronist schreibt: "als es bey Menschen denckung allhie nie gewesen" unter Wasser gesetzt. Bis an die Sandberge hinter Horneburg (Postmoor / Schragenberg) soll das Wasser gelangt sein.

 

Ein Relikt der Eiszeit: Die Geest

Diese urige Hügellandschaft, die sich bei uns 20 bis 30 m über NN erhebt, ist vor mehr als 10.000 bis 1.8 Mill. Jahren vor Chr. entstanden. Sie gehört zum Landstrich der grundwasserfernen Geest, zum Zevener/Apenser Geestrücken. Sie ist das Produkt der jüngsten Eiszeit (Pleistozän); noch heute erkennen wir bei Grabungen oder in unseren Sandgruben imponierende Spuren dieser Vergangenheit. Wellenförmige Bodensätze -Sedimente- geben die durch Überflutungen gewachsenen Erdformation wieder. Findlinge, wie sie z. B. in jüngster Zeit, 1993/94, beim Abgraben der Gewerbegebietsfläche ans Licht gekommen sind, sind mit riesigen Gletschermassen aus dem skandinavischen Raum hierher gekommen.


Findlinge in Postmoor
Hier wurden die Findlinge freigelegt:
Erweiterung des
Gewerbebetriebes der Fa. Brüggmann 1993/94

 

Salz, der Schatz in der Tiefe

Weite Teile des Auetales (Issendorf / Ahlerstedt) liegen über einem Steinsalzvorkommen. Der salzhaltige Untergrund entstand vor ca. 250 Mio. Jahren. Der Salzstock, auch Salzdom genannt, beginnt etwa 300 m unter der Erdoberfläche und reicht bis in eine Tiefe von ca. 5000 m. Dieser Salzstock wird z.Zt von der DOW zur Gewinnung von Salzsole abgebaut. Daher entstehen in diesem Gebiet Kavernen (Hohlräume) von Mio. m³.

Lage des Dorfes vor 1795

Bis zur Errichtung des ersten Wohn- und Stallgebäudes im Jahre Anno 1795 war die Landschaft im späteren Postmoor noch jungfräulich und wenig angetastet. Erst im Jahre 1788 wurden, wie berichtet, die Moorflächen des Auetals aus der Allmende -gemeinschaftliche Nutzfläche- herausgenommen und in Einzelflurstücke aufgeteilt. Die Kurhannoversche Landesaufnahme von 1769 zeigt in eindrucksvoller Weise die Konturen unserer späteren Heimat. Aus der flachen Tallandschaft von Horneburg kommend, ging der Blick über Anhöhen zum Schragenberg, wo auf der höchsten Erhebung, weit sichtbar und abschreckend wirkend, ein Galgen ins Land ragte.

Galgen auf dem Schragenberg

Auf einer Anhöhe vor Horneburg auf dem Schragenkamp - schräger Kamp -, heute Schragenberg, stand in früherer Zeit ein Galgen, der weit hinaus ins Land empor ragte. Noch heute heißt das Flurstück dort in der Nähe der Schragenberger Mühle „Beim Galgenberge“ (siehe: Verzeichnis der Orts- und Flurnamen des Gaues Mosidi von Heinrich A. Siemens, Horneburg).

In der Kurhannoverschen Karte von 1769 wird dieser Standort mit dem Zeichen eines Galgens symbolisiert. Auch in anderen älteren Karten ist dieses Symbolzeichen zusammen mit der Bezeichnung „Gericht“ anzutreffen. Mündliche Überlieferungen weisen auch auf diesen Galgenberg hin. Mein Freund Hinrich Iwers, geb. 1926, weiß aus seiner Schulzeit zu erzählen, daß sein Lehrer in Nottensdorf, Heinrich von Bargen, berichtet hätte, daß die Ortsbezeichnung „Schragenkamp oder Schragenberg“ mit dem Galgen ursächlich im Zusammenhang stehen würde, und zwar sollte „Schragen“ soviel wie „Knochen“ bedeuten. Knochen von Menschen, die in der Nähe des Galgens beigesetzt worden sind.

Auch soll es ein Register geben, in dem die Erhängten verzeichnet worden sind. Da der Vollzug einer Todesstrafe in der Geschichtsschreibung gewöhnlich mit dem Mantel des Schweigens bedeckt worden ist, sind mir Namenslisten von Erhängten nicht bekannt.

Galgen heißt zu altdeutsch „galgo“, was soviel wie „Stange oder Pfahl“ bedeutet. Der Name „Schragenberg könnte m. E. auch aus dem Plattdeutschen „Schraach“ kommen, was soviel heißt, wie: „aus Latten gefertigtes Gestell (Galgen). Im Mittelhochdeutschen heißt „schrage“ z. B. kreuzweise eingefügte Pfähle oder kreuzweise stehende Holzfüße als Untergestell.

Das Erhängen am Galgen war seit dem frühen Mittelalter u. a. eine Art Vollstreckung der Todesstrafe. Im MA diente der Galgen auch als sichtbares Zeichen der Hochgerichtsbarkeit. Er stand deshalb weithin sichtbar auf Anhöhen und Wegekreuzungen und war mit magischen Vorstellungen im Volksglauben behaftet; er diente daher auch zur Abschreckung.

Der Name „Schragenberg könnte m. E. auch aus dem Plattdeutschen „Schraach“ kommen, was soviel heißt, wie: „aus Latten gefertigtes Gestell (Galgen). Im Mittelhochdeutschen heißt „schrage“ z. B. kreuzweise eingefügte Pfähle oder kreuzweise stehende Holzfüße als Untergestell.

Nach dem „Verzeichnis sämtlicher Ortschaften im Königreiche Hannover von 1823“, herausgegeben vom Kanzleirat W. Ubbelohde, gab es auf dem „Schragenkamp“ nur eine Hofstelle, die als Feuerstelle gezählt wurde.

Gerichtsbarkeit durch adliche Burgmänner von Blitherstorpe

Im Mittelalter hatten die adligen Burgmänner von Bliedersdorf und Horneburg die Gerichtsbarkeit. Gemäß dem damaligen Recht konnten sie sogar die Todesstrafe verhängen. Nach einer Höfebeschreibung aus dem Jahre 1709 hatten die Nachfolger der von Bliedersdorpe immer noch die eigene Gerichtsbarkeit. In der genannten Unterlage heißt es im Wortlaut:

Gerichtsbarkeit
(In der Höfebeschreibung von 1709 heißt es: „Bliederstorff hat sein eigen Gericht, und gehöret nicht zum Dellm.“)

Einer dieser Gerichtsherrn war der Ahnherr Daniel I von Blitherstorpe. Zu Ehren seiner Gemahlin "Gertrud" die zwischen 1228/29 gestorben ist, wurde die Gertrudenkapelle auf dem Gelände des heutigen Friedhofes am Tivoli, der Grenze zu Postmoor, errichtet. Gertrude war die Tochter des Stader Vogtes Willerus und seiner Ehefrau Elisabeth. Die Stifterfamilie Willerus ist bekannt durch das 1142 gegründete Stader Marienkloster. Die Gertrudenkapelle wurde im 30-jährigen Krieg im Jahre 1627 abgebrochen. Von ihren drei Glocken hängen zwei noch in der heutigen Horneburger Kirche. Die dritte frühgotische Glocke ist seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr vorhanden. Im Oktober 1988 stießen Archäologen bei den von der Samtgemeinde Horneburg in Auftrag gegebenen Grabungen auf die Fundamente der früheren Gertrudenkapelle und führten somit Nachweis über den genauen Standort der ehemaligen Kapelle. Dieser nachgewiesene Standort wurde oberflächlich mit großen Feldsteinen markiert.

Auch die Epoche, die etwa um 1600 vor Chr. begann und als Bronzezeit bezeichnet wird, hinterließ Spuren in unserem Raum. Die Kurhannoversche Karte von 1769 zeigt auch Hügelgräber entlang der Hanglage zum und am Schragenberg. Heute sind leider die bekanntgewesenen Stätten nicht mehr vorhanden; sie wurden durch Abgrabungen oder Einebnen zerstört. Die hier Lebenden waren Jäger und Fischer. Ihre Beisetzung erfolgte in ausgehöhlten Baumstammsärgen unter großen Erdhügeln, s. g.Tumulus. Am oberen Rand von Tälern oder, wie auch am Ende der Bronzezeit, 700 v. Chr., neben Handelswegen, waren diese Grabstellen vorzufinden; beide Möglichkeiten könnten auch bei uns eine Rolle gespielt haben.


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