Die leidvollen Weltkriege (D)

Nach der Kapitulation

Nach Kriegsschluß diente eine Baracke von der Scheinwerferstellung als Behelfsheim für die Unterbringung der Familie Grewe, eine weitere stand in der Sandkuhle und beherbergte die in Hamburg ausgebombte Familie Reese. Der Scheinwerfer selbst landete in der Müllgrube, die sich seinerzeit vorne auf der Spitze vor dem heutigen Spielplatz befand.

Als Edgar und Gretel Bellmann heirateten, bekamen sie dieses große Ungetüm zum Polterabend! Johann Feindt stellte am 28.03.1947 für Schäden, die durch die Scheinwerferstellung u. a. im Laufe der Jahre auf seinem Pachtland entstanden waren, einen Schadensantrag in Höhe von RM 1.200. Hierzu gehörten: Pachtentschädigung, Schäden an Kulturfrüchten, das Abfahren von Schlacke, Schutt und den Splitterschutzwall, der um den Scheinwerfer gestanden hatte. Die Arbeiten wurden bereits in der Zeit vom 31.5. bis 09.06.1945 ausgeführt.

Hochprozentiger mit Todesfolge

Eine Adresse war in diesen Tagen auch ein herrenloser, liegengebliebener Zug auf der Strecke Buxtehude/Harsefeld bei Weißenfelde, der u. a. beschädigte Kesselwagen mit hochprozentigem Sprit bei sich führte.

Die durch Gewehrschüsse durchbohrten Waggons ließen langsam aber sicher ihren Inhalt im Steinschotter verrieseln. Milchkannenweise haben sich unsere Mitbürger mit diesem über 90%- Alkohol versorgt, der sehr verdünnt getrunken werden konnte. Er diente später auch als Tauschobjekt gegen Kleidungsstücke, Süßigkeiten und Kaffee, Tauschgeschäfte, die mit den Besatzungssoldaten gepflegt wurden.

Leider kam es hierdurch aber auch zu einem tragischen Unglücksfall mit tödlichem Ausgang. Ein Fremdarbeiter im Sägewerk von Brüggmann, der nicht an sich halten konnte und gleich aus dem Milchkannendeckel den reinen unverdünnten Sprit in sich hineinzog, ist an den Folgen gestorben. Er liegt auf dem Bliedersdorfer Friedhof begraben.

Heimatvertriebene, Wohnbaracke

Je weiter die Kriegsfront im Osten nach Deutschland zurückgedrängt wurde, desto mehr Menschen mußten ihre Heimat verlassen. In großen Trecks kamen sie auch in unsere Gegend.

Pastor Fuhst hat am Beispiel der Familie Johann und Helene Preuß in seiner Chronik das schwere Schicksal der Heimatvertriebenen geschildert. Schon gegen Ende des Krieges und kurz danach sind viele Menschen auch zu uns nach Postmoor gekommen. In fast jedem Haus fanden sie, zum Teil auf engstem Raum, Unterkunft.

Viele Probleme galt es zu regeln; Erich Gründer als Flüchtlingsbetreuer und Bürgermeister Wilhelm Brunkhorst hatten alle Hände voll zu tun, um u. a. die Wohnungsnot zu lindern.

Noch am 08.10.1947 war in der Ratssitzung die Rede davon, daß auf dem nördlichen Teil des Sportplatzes in Bliedersdorf eine Wohnbaracke aufgestellt werden sollte. Aufgestellt wurde sie aber Anfang 1949 in Postmoor auf dem Gemeindegrundstück gegenüber von Bartels, auf der von ihm genutzten Ziegenweide. Das Land zahlte einen Zuschuß von DM 6.441.--. Die Firma Bernhard Gerken wurde mit den Bauarbeiten beauftragt. Die gesamte Ausführung wurde vom Ratsherrn Hans Ropers geleitet. Auf dem abschüssigen Gelände wurde eine waagerechte Betonplatte als Plattform geschüttet. Um den Höhenunterschied auszugleichen, wurde der Eingangsbereich von der Nordseite her mit vier Treppenstufen versehen. Im Juni 1952 wurde bereits grössere Instandsetzung erforderlich.

Sechs Familien fanden hier in jeweils zwei Zimmern Unterkunft. Im Adreßbuch von 1952 wurden sie mit Wohnsitz Postmoor 24 nachgewiesen und zwar:

Erich Franz, Anne Klein, Günter Praetzel, Emil Rett, Friedrich Riebner und Richard Wiesing. Später wohnten hier noch die Familien: Adolf Breitkreuz; Arnold Kurins; Berta Schulz und Richard Neese.

Natürlich gab es auch hier Probleme, wie immer, wenn soviel Menschen auf engstem Raum zusammenleben müssen. So hat z. B. der Rat der Gemeinde im Juni 1953 das Hofgrundstück in gleichgroße Parzellen aufgeteilt, damit jeder Platz zum Lagern von Holz und dgl. hatte. Am 18.12.1956 hat sie ebenfalls für die Waschküchenbenutzung für alle Beteiligten eine zufriedenstellende Regelung getroffen. Auch andere Zwistigkeiten mußten geschlichtet werden.

Erst nach dem Inkrafttreten des Barackenräumungsprogramms im Jahre 1963 wurde diese Notunterkunft aufgelöst. Die letzten Bewohner siedelten sich hier oder in der näheren Umgebung an und bauten sich ihre eigenen Häuser. Den Barackenvorplatz erwarben Annemarie und Erich Schoknecht als Hausplatz. Erst am 14.05.1972 stellte die Gemeinde Bliedersdorf den Antrag auf Abbruch der Wohnbaracke „Stettin“, der dann auch alsbald erfolgte. Nach dem Abbruch wurde die Gebäudefläche an Richard Wiesing und Johann Thiele veräußert, die ihre Vorgärten dadurch bis an die Hangkamp-Straße erweitern konnten.

Behelfsheim mit verbotenem Keller!

Es war noch im Krieg, als August Mehrkens 1943 für seine ausgebombte Tochter Anni Schoknecht mit ihrer Familie ein massives Behelfsheim errichten ließ. Weil das Baumaterial äußerst knapp und kriegsbedingt rationiert war, waren Auflagen vorgegeben, in welcher sparsamen Größe und ohne Keller gebaut werden durfte. Da August Mehrkens noch reichlich Mauersteine, die für ein anderes Bauvorhaben gedacht waren, stehen hatte, war er schon mal sehr im Vorteil.

Wenn man von draußen in das kleine Haus hineinkam, war dort ein kleiner Flur, von dem man in die hintereinanderliegenden Räume, wie Küche, Wohnraum und Kammer gelangen konnte. Auf Seite 457 der Bliedersdorfer Chronik ist dieses Behelfsheim auch abgebildet zu sehen. 

Als die Fertigbauabnahme erfolgte, erwähnte Wachtmeister Jungklaus, daß es wohl von Vorteil gewesen wäre, unter dem Haus einen kleinen Keller zu haben, was aber damals nicht gestattet war. Was der Gendarm nicht wußte, als er im Flur auf einem Läufer stand, war, daß sich unter dem Läufer die Kellerluke befand, oder sollte er doch!?

Auf engstem Raum galt es, sehr zu improvisieren und auf gegenseitige Rücksichtnahme zu achten. Man war damals sehr zufrieden mit dem, was man hatte, klein aber fein! Mit Tochter Ingrid, die 1944 dort geboren ist, mußten immerhin vier Personen dort Platz finden. Im Jahre 1954 konnte Ernst Schoknecht mit seiner Familie in das neue Haus mit sehr viel Platz am Hangkamp einziehen.

Viele kleine Notunterkünfte

Neben der großen Baracke dienten auch viele kleine als Notunterkünfte. Wie schon erwähnt, fanden Grete Grewe mit den beiden Jungs in einer Baracke von der Scheinwerferstellung ein Dach über den Kopf. Diese Baracke stand zunächst unter dem großen Apfelbaum an der Grenze zu Feindts Acker (heute Kugis) und wurde später auf den Platz, wo das abgebrannte Haus gestanden hatte, umgestellt und massiv ummauert. Später wurde sie Bestandteil des neuen Hauses.

Auch die Familie Reese, ausgebombt in Hamburg, fand Unterschlupf in einer Baracke der Scheinwerferstellung, die auf Gemeindegelände der Sandgrube errichtet worden war.

Herbert Hörnig, der seinerzeit Fernfahrer war, bekam, als seine Frau Hanni mit den größeren Kindern später aus dem Osten eintraf, bei Johs. Brüggmann Arbeit und für seine Familie eine Wohnbaracke auf dem Hof zur Verfügung gestellt.

Bevor Gustav Babetzki sein Wohnhaus fertiggestellt hatte, wohnte er mit Familie in einer selbstgefertigten Baracke auf dem Grundstück seines späteren Hauses. B. hatte zwei bis drei Leute damit beschäftigt, daß sie das Porzellan von den Telegrafengestängen zerschlugen und das verbliebene Eisen zum Verkauf aufbereiteten. Später wohnte Hans Holz mit seiner Lotte und den Kindern Axel, Karla und Sabine in dieser Baracke. Karla hat neben den beiden Heinigs-Kindern Peter und Dieter noch Kontakt zu Postmoor.

Im Jahre 1948 hat auch Edgar Bellmann zunächst, als er seine Familie gründete, sich ein kleines Behelfsheim errichtet. Da Edgar nebenberuflich einen Getränkehandel betrieb, hatte er viel Öffentlichkeit in seinem kleinen, gemütlichen Heim. Gerne denken wir als Gäste daran zurück. Auf engstem Raum mußte seine bis dahin sechsköpfige Familie darin zurechtkommen. 1964, als Jens geboren werden sollte, baute Edgar sein Haus, Postmoor Nr. 7.

Gartenland



Hangkamp Nr. 4, erbaut 1949 von Gustav Babetzki. Hier wohnte die Familie Heinig..Die nebenstehende Wohnbaracke wurde von der Familie Hans Holz bewohnt. Im Vordergrund die Kleingartenkolonie und im Hintergrund die "Hofstelle" Bollmeyer, sowie das noch unbebaute Umfeld zu sehen.

Dort, wo heute die Familie R. Scholz wohnt und wo das neue Fünffamilienhaus errichtet worden ist, hatte Brüggmann für Heimatvertriebene und Ausgebombte Gartenland bereitgestellt. Es muß 1947 gewesen sein, denn damals hatte die Gemeinde angeordnet, Ackerland hierfür zur Verfügung zu stellen.

Ich erinnere mich noch daran, daß wir z. B. mit Ernst Schoknecht durch seine Anlagen gingen und diese in Augenschein nahmen. Auch Mutter Wolff, die mit ihren Töchtern bei Bollmeyer wohnte, hatte hier neben anderen ihren kleinen Garten. Und alle waren erfüllt vom Kleingärtnerstolz.

Auch Dieter Heinig, der vor kurzem bei uns zu Besuch war, schwärmte von seiner Verbundenheit zu Postmoor und konnte sich noch sehr gut erinnern, daß er mit seinem Bruder Peter gerne mal die verbotenen Früchte in Nachbars Garten genascht hätte. Durch seine Erzählung konnte ich mich erst wieder an diese kleine Gartenkolonie erinnern.

Vermerkt muß auch werden, daß in dieser Zeit des Mangels, auch Tabak angebaut wurde. Die großen Blätter wurden in der Sonne getrocknet, fein zu Tabak geschnitten und dann in der Pfeife oder als selbstgedrehte Zigaretten geraucht.

Für den Anbau von Tabakpflanzen mußte eine „Kleinpflanzer-Tabaksteuer“ abgeführt werden.

 

Besatzungszeit

Wir wurden von den Engländern besetzt und gehörten zur englischen Zone. In Horneburg waren 1400 englische Soldaten neben den vielen Heimatvertriebenen stationiert.

Nach 22.00 Uhr durfte keiner mehr auf der Straße sein. Da ich bei der Deutschen Reichsbahn beschäftigt war und auch während der Nacht Dienst verrichten mußte, war in meinem Paß eine Ausnahmegenehmigung mit folgendem Wortlaut vermerkt: Authorized employee of German Railway Station Horneburg. (Branch: railway-clerk). Stempel und Unterschrift.

Ich habe den Ausweis für den Dienstgebrauch nie benötigt. Einmal aber, als ich etwas später von meiner ehemaligen Braut, Meta Köpke, nach Hause kam, wurde ich tatsächlich kontrolliert, und siehe da, er hatte sich als nützlich erwiesen.

Währungsreform

Noch am 15.04.1948 verpachtete die Gemeinde Bliedersdorf wegen Wertlosigkeit der gültigen Reichsmark-Währung ihre Bauplätze an die ersten Häuslebauer am Hangkamp in Postmoor auf Erbpacht.

Am Sonntag, dem 20.06.1948, öffnete sich auch in Bliedersdorf eine eingerichtete Wechselstube, und jeder Bürger bekam 40 DM in die Hand gedrückt. Die neuen Banknoten, die in Umlauf gesetzt worden sind, wurden in Amerika gedruckt. Eine bestimmte Ähnlichkeit mit den amerikanischen Dollar-Scheinen war unverkennbar. Am nächsten Tag waren plötzlich die Geschäfte wieder mit Waren gefüllt, die vor der Reform zurückgehalten worden sind, weil eben die Reichsmark nichts mehr wert war. Ersparnisse wurden im Verhältnis 10:1 umgetauscht. Das Experiment war geglückt, die Wirtschaft faßte wieder Schritt. Auch die o.g. Häuslebauer in Postmoor konnten bereits am 10.02.1949 ihre Bauplätze käuflich von der Gemeinde erwerben. Im Jahre 1949 wurden auch die Lebensmittelkarten aufgehoben.

10-Mark-Schein


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